07.07.2010
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Die Besatzung der Raumstation auf dem Jupitermond Amalthea benötigt Lebensmittel. Eine Gruppe von Raumfahrern macht sich deshalb mit dem Photonenfrachter „Tachmasib“ auf dem Weg, um neuen Proviant zu liefern.
Den Direktor der J-Station auf der Almathea, dem fünften Mond des Jupiters, plagen Sorgen. Auf Kallisto wurde vor einiger Zeit ein Nahrungsmitteldepot durch einen aggressiven Pilz vernichtet.
Bereitwillig wurde der dortigen Stationsbesatzung mit einigen Konserven ausgeholfen. Nun ist der eigene Vorrat an Nahrungsmitteln fast vollständig aufgebraucht. Es droht eine Hungersnot.
Der Flug zum Jupiter ist zu diesem Zeitpunkt nicht einfach. Jupiter und Erde befinden sich auf entgegen gesetzten Seiten des Sonnensystems. Es muss ein sogenannter »Oversun« geflogen werden, ein Flug außerhalb der Ekliptikebene über die Sonne. Der Treibstoffverbrauch wird extrem hoch sein und die Ankunft am Zielplaneten über einem der Pole erwartet, was noch einige weitere Schwierigkeiten mit sich bringen könnte.
Für diese schwere Aufgabe kommt nur ein schnelles Raumschiff in Frage, der Photonenfrachter »Tachmasib«. Der Frachter steht unter dem Kommando von Alexej Bykow. Mit an Bord befinden sich der Navigator Michail Krutikow und der Bordingenieur Iwan Shilin.
Als Passagiere reisen die Planetologen Wladimir Jurkowski und Grigori Dauge mit. Der Funkoptiker Charles Mollard fliegt mit der »Tachmasib« zu seinem neuen Arbeitsort auf der Amalthea.
Die Marsechse Waretschka, so etwas wie Jurkowskis Haustier, sorgt für einige Verwirrung an Bord.
Die »Tachmasib« kommt am Jupiter an, gerät aber in einen Meteoritenhagel, wobei der Hauptantrieb stark beschädigt wird. Das Raumschiff kann sich aus der Anziehungskraft des Jupiters nicht befreien und stürzt in die Atmosphäre.
Während des Absturzes steigt der Druck auf das Schiff auf immer höhere Werte, bis es nicht mehr tiefer sinkt und nur noch durch das Gas gleitet. Die Gravitationskraft nimmt ständig zu, Leben und Arbeiten werden auf der »Tachmasib« zur Qual. Trotzdem gelingt es, sich aus der Umklammerung des Jupiters zu befreien. Das Raumschiff erreicht die Amalthea und kann die benötigten Hilfsgüter abliefern.
Hintergrund
Die vorliegende Erzählung ist die Fortsetzung zum Roman »Atomvulkan Golkonda« und erschien ein Jahr nach seiner Veröffentlichung in der ehemaligen Sowjetunion.
Einige aus dem Vorgänger bekannte Personen tauchen wieder auf und der Leser kann bei ihnen eine gewisse Weiterentwicklung feststellen. In der fiktiven Zukunftswelt sind inzwischen 10 Jahre vergangen. Bykow hat zusammen mit Krutikow die Hochschule für Kosmonautik besucht und wurde Raumschiffkommandant.
Die technische Entwicklung schritt voran, die Photonenraumschiffe haben sich als interplanetare Transportmittel durchgesetzt. Die Erforschung des Sonnensystems wird mit Hilfe von Stationen auf den Planeten oder ihren Monde fortgesetzt.
Noch ist das Bild von der Zukunftswelt (»Mittags-Zyklus«) der Strugatzkis unvollständig, nur einige Details sind sichtbar. Der Aufbau der zukünftigen Gesellschaft wird zum Beispiel nicht beschrieben. Der Leser kann nur erahnen, dass die Erde über unbegrenzte Ressourcen verfügt, die Menschen frei sind und Freude an ihrer Arbeit haben. Die junge Generation wird als mutig und motiviert dargestellt.
Im Frühjahr 2013 brachte der Golkonda Verlag Berlin eine aufwendig und liebevoll gestaltete Neuauflage der Erzählung zusammen mit dem Roman »Praktikanten« heraus. Diese Ausgabe präsentiert die vollständigen Textfassungen, ergänzt durch ein nicht in die Endfassung der »Praktikanten« aufgenommenes Kapitel. Sie wird komplettiert durch Kommentare Boris Strugatzkis sowie ein Nachwort und Anmerkungen. ([3], Klappentext)
Persönliche Wertung
Die ersten Werke der Autoren dienten den Strugatzkis noch als Versuch, ihren eigenen Stil zu finden und Formen der Gestaltung verschiedenster Themen auszuprobieren. (Oleg Šestopalov, S. 55 [2])
Das ist im Vergleich zwischen »Atomvulkan Golkonda« und »Der Weg zur Amalthea« feststellbar. Der Roman ist durch einen nüchternen und vorwiegend beschreibenden Stil gekennzeichnet. Die Eroberung der Venus steht im Mittelpunkt, Situationen und Orte werden sehr detailliert dargestellt. Was im Inneren der Helden vorgeht, wird nicht genauer ausgelotet.
Die Erzählung weist dagegen einen etwas anderen Stil auf. Sie ist vor allem humorvoll. Die kleinen Kabbeleien zwischen Dauge und Jurkowski wirken sehr amüsant. Ihre Suche nach der Echse Waretschka und wie sie damit Bykow auf die Nerven gehen, ist herrlich komisch.
Der Funkoptiker Mollard regt den Leser durch seinen eigenartigen Akzent und seine lustige Art zum Schmunzeln an. Außerdem scheinen die Helden auch in bedrohlichen Situationen nie ganz ihren Humor zu verlieren.
Die Autoren nehmen sich in »Der Weg zur Amalthea« ebenfalls Zeit, Orte und Geschehnisse genau zu beschreiben. Aber der Leser erfährt hier viel mehr über die Gefühle der handelnden Personen.
Jurkowski ist nicht mehr länger der aufgeblasene »Fant« aus dem Erstlingswerk. Die Gründe für dieses Verhalten blieben dort ungeklärt. Was Jurkowski im Angesicht der Gefahr und des Todes empfindet, wie er versucht, mit der Situation klar zu kommen, geht zu Herzen. ([1], S. 63)
Alexej Bykow ist ein guter Kommandant. Es ist begeisternd, ihn in den verschiedensten Situationen handeln zu sehen. Er motiviert seine Untergegebenen, schenkt ihnen Vertrauen, kontrolliert und kritisiert, lobt und bestärkt, ist ihnen ein Vorbild.
Den jungen Shilin, gerade mit dem Studium fertig und auf seiner ersten großen Fahrt, fragt er in einer Gefahrensituation mitfühlend und motivierend zugleich: »Hast du auch keine Angst, Junge?«. ([1], S. 40) Shilin nimmt sich später vor, genau so zu werden wie Bykow.
Im Streit mit Krutikow um einen, seiner Meinung nach etwas riskant geplanten Kurs erinnert sich Bykow an die Verdienste seines Kameraden und weiß sie zu erwähnen. Die Situation entspannt sich danach umgehend.
Die Erzählung »Der Weg zur Amalthea« ist spannend erzählt, jedoch durch ihre lustige Schreibweise gleichermaßen unterhaltsam und amüsant. Durch die genaue Darstellung der Gefühlswelt der meisten Besatzungsmitglieder wachsen einem die Helden immer mehr ans Herz. Ich empfehle Sie jedem Leser, der sich für gute SF-Literatur interessiert.
Noch ein kleiner Hinweis: Bei der Erwähnung des Raumfahrers Paul Danget ([1], S. 37) muss ein Übertragungsfehler entstanden sein. Im »Atomvulkan Golkonda« hieß er noch Paul Dangé.
Ein begeisterter Fan erstellte mit der Software The Movies einen Film zur Erzählung.
Der erste Teil ist hier zu finden: Der Weg zur Amalthea-Video Teil 1
Zur Erzählung
Russischer Originaltitel: | Путь на Амальтею |
Autoren: | Arkadi und Boris Strugatzki (auch Strugazki) |
Deutsch: | Traute und Günther Stein |
Verlag: | Verlag MIR, Moskau und Verlag Das Neue Berlin 1982 (1979) |
Seitenzahl: | 83 |
Ausgabe: | erschienen in einer Anthologie phantastischer Erzählungen |
Quellen
[1] Der Weg zur Amalthea – Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1961
[2] Quarber Merkur 93/94 – Franz Rottensteiners Literaturzeitschrift für SF und Phantastik
[3] Kapitän Bykow – Golkonda Verlag Berlin 2013
Die Zeichnungen von L. J. Rubinstein stammen von der Seite »Фантасты братья Стругацкие: Иллюстрации: Рубинштейн Лев Яковлевич (р. 1922)«.
Sie erschienen in dieser Buchausgabe: Миры братьев Стругацких: Т. 1 [СБТ]. – М.: АСТ; СПб.: Terra Fantastica, 1997
Die Zeichnungen von Daniel Billon stammen von der Seite »Фантасты братья Стругацкие: Иллюстрации: Billon Daniel (р. 1927-2004)«.
Sie erschienen in dieser Buchausgabe: La Vie Ouvrière (Paris). – 1962-1963
Die Veröffentlichung der Zeichnungen erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Vladimir Borisov (Redakteur der Seite »Фантасты братья Стругацкие«).