17.05.2011

Zum Inhalt

BuchcoverMaxim Kammerer, ein junger Mitarbeiter der »Gruppe für Freie Suche«. Nach einem Unfall strandet er auf dem Planeten Saraksch. Sein Raumschiff wird kurz nach der Landung zerstört. 

Nur mit einer Unterhose bekleidet, macht sich der junge Mann auf den Weg, den Planeten zu erkunden. Er trifft auf eine ihm anfangs unbegreifliche Zivilisation menschlicher Wesen.

  Maxim nach dem AbsturzBegegnung mit Allu SefUnverständliches Verhalten

Man hält ihn auf Grund seiner Sprache, seiner überlegenen Körperkräfte und seines naiven Auftretens für einen Sonderling und Verrückten.

 Kampf gegen BanditenMaxim ist überlegenEintritt in die Garde

Maxim lernt schnell die Sprache der Einheimischen und versucht sich anzupassen. Er wird Mitglied der kämpfenden Garde, schließt Freundschaft mit seinem Vorgesetzten und dessen Schwester Rada.

 Maxim desertiertNiedergeschossenKontakt zum Widerstand

Das Land, in das es Maxim verschlagen hat, befindet sich praktisch in einem andauernden Kriegszustand. Bewaffnete Konflikte mit den umgebenden Staaten drohen. Das Leben in der Gesellschaft ist von Angst und Gewalt geprägt. Die Bürger des Landes trauen einander nicht. Überall werden Spione vermutet. Menschen werden denunziert, verurteilt und in Arbeitslager gesteckt. Sogenannte Entartete und Mutanten werden von den Polizeiorganen und der Bevölkerung besonders intensiv verfolgt.

 Sprengung eines EmitterturmsFestnahmeVerurteilung

Maxim versucht die Geschehnisse auf dem Planeten Saraksch zu beeinflussen. Ihm fehlen aber entscheidende Informationen über den Aufbau und die Entwicklung der Gesellschaft. Deshalb enden die meisten seiner Bemühungen in einem Desaster.

 Entdeckung der KopflerBei den MutantenEin weißes Submarine

Ganz am Schluss erst begreift er alle Zusammenhänge. Daraufhin fällt es Maxim leicht, sich mit den Menschen dieser Welt verbunden zu fühlen. Der Saraksch ist zu »seiner« bewohnten Insel geworden.

 KampfBeim StaatsanwaltKampf mit dem Wanderer

Hintergrund

Der Roman erschien erstmals 1971 auf Russisch. Mit den Arbeiten daran begannen die Strugatzkis 1967. Kurz zuvor war ihre Erzählung »Das Märchen von der Troika« von zwei sowjetischen Verlagen abgelehnt worden. Die Autoren waren darüber sehr frustriert und wütend. Aus »Rache« planten sie, einen »absolut harmlosen … Unterhaltungsroman eines Komsomolzen im 22. Jahrhundert« zu schreiben. »Die bewohnte Insel« konnte erst nach intensiver Überarbeitung und Anpassung an die damalige Zensur erscheinen. (Boris Strugatzki in [1], S. 869 – 877) Die Geschichte um Maxim Kammerer findet später in den Romanen »Ein Käfer im Ameisenhaufen« und »Die Wellen ersticken den Wind« ihrer Fortsetzung.

Der Roman spielt im Jahr 2157 und ist in der »Welt des Mittag« angesiedelt. Die Menschen auf der Erde haben Krieg und Gewalt hinter sich gelassen. Die Entwicklung der Technik ist soweit fortgeschritten, dass der Mensch in der Lage ist, selbst größte Distanzen im Weltraum zu überwinden. Und so machen sich Abenteurer aus der »Gruppe für Freie Suche« (GFS) auf den Weg, unbekannte Planeten zu erforschen und mit fremden Zivilisationen Kontakt aufzunehmen.

Auf dem Planeten Saraksch hat vor einigen Jahren ein Weltkrieg mit atomaren Waffen stattgefunden. Weite Teile der Planetenoberfläche und der Gewässer sind atomar verseucht. Landminen und verselbständigtes Kriegsgerät machen einige Landstriche unbewohnbar. Der Lebensstandard der Bevölkerung ist sehr niedrig.

Die Welt auf dem Saraksch

Die Bewohner des Saraksch können infolge atmosphärischer Besonderheiten den Sternenhimmel nicht sehen, wissen deshalb auch nichts vom Weltall und anderen Planeten. Sie glauben, auf der Innenseite einer Kugel zu leben, in deren Mitte das Weltlicht leuchtet. Der bei den Bewohnern so beliebte Fluch »Massaraksch« (das Innerste nach außen kehren) deutet an, dass diese Vorstellung nicht immer die allgemein vertretene war.

Das Land, in dem Maxim Kammerer strandet, wird von einer Militärdiktatur beherrscht, an deren Spitze die »Unbekannten Väter« stehen. Das Regime manipuliert seine Bürger mit Gehirnwellenemittern. Sie werden sich dadurch ihrer Lebenslage nicht bewusst und akzeptieren die Politik ihres Staates uneingeschränkt. Die Machthaber dagegen sind für solcherlei Manipulation nicht empfänglich.

Das Hauptthema aus »Es ist schwer, ein Gott zu sein« (deutsch auch »Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein«) wird fortgeführt. Es geht um die Frage nach der Berechtigung von Einflussnahmen auf die Entwicklung einer Zivilisation durch eine Macht von außen.

Der zweiteilige Film »Обитаемый остров« von  Fjodor Bondarchuk kommt dem Werk der Strugatzkis sehr nahe. Ein Trailer kann «hier» angesehen werden.

Boris Strugatzki sagt über diese Verfilmung: »… Ich mag den Film sehr. Es ist die bislang beste Visualisierung von ‚ABS‘ (die Fans von Boris und Arkadi Strugazki benutzen die Abkürzung für die beiden Brüder). Ein herausragender Titelheld Mak Sim (Maximilian Kammerer), ein hervoragender Prokuror und Fremder.  …« ([2] – Sankt Petersburger Herold)

Persönliche Wertung

Ich freue mich, den Roman »Die bewohnte Insel« endlich in seiner vollständigen und unverfälschten Form lesen zu können. Ungefähr 900 Veränderungen (!) mussten am Text vorgenommen werden, damit er die damals strenge Zensur in der Sowjetunion passieren und veröffentlicht werden konnte. Der Großteil der »Entstellungen« (Boris Strugatzki in [1], S. 876) wurde in der aktuellen Ausgabe korrigiert.

Das Buch ist so fesselnd geschrieben, dass man es gar nicht aus der Hand legen möchte. Dabei lassen die Autoren durch geschickte Wahl der Erzählperspektive sowohl Maxim als auch die Einwohner des Saraksch zu Wort kommen.

Eine der stärksten Szenen des Buches ist für mich die Diskussion zwischen Maxim und dem Hexenmeister über die »Ungeduld des alarmierten Gewissens«. ([1], S. 300 – 304) Dieser ungewöhnliche und hochintelligente Mutant setzt dem Romanhelden mit seinen Worten mächtig zu und warnt ihn:

»Wie es in Ihrer Welt ist, weiß ich nicht, bei uns aber bleibt keine Kraft lange ohne einen Herren. Es wird sich jemand finden, der versucht, sie willfährig zu machen, zu unterwerfen - unbemerkt oder unter einem passenden Vorwand.«

Maxim muss sich fragen, aus welchen Gründen er bestimmte Veränderungen erreichen möchte, ob er alle Konsequenzen seines Handelns bedacht hat und ob die Ergebnisse dauerhaft sein werden.

Der Romanheld durchlebt im Laufe der Geschichte eine interessante Entwicklung. Aus der heilen Welt des Mittag kommend, ausgestattet mit hohen moralischen Ansprüchen, einem ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühl und einer großen Wahrheitsliebe, wird Maxim mit einer Militärdiktatur konfrontiert. Seine hohen moralischen Ansprüche führen ihn in einen unlösbar erscheinenden Gewissenskonflikt. Er muss notgedrungen einen Reifeprozess durchleben.

Ohne Kompromisse im Hinblick auf seine eigenen Werte und Moralbegriffe wird es ihm nicht möglich sein, irgendetwas an den bestehenden Verhältnissen zu verändern.

Zum Buch

Russischer Originaltitel: Обитаемый остров (Die bewohnte Insel)
Autoren: Arkadi und Boris Strugatzki (auch Strugazki)
Deutsch: Erika Pietraß (ergänzt von Erik Simon)
Verlag: WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN 2010
Seitenzahl: 410
Ausgabe: Paperback

Quellen

[1] Gesammelte Werke 1 – A. u. B. Strugatzki, WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN 2010

[2] Sankt Petersburger Herold (Herold Russland News aus St. Petersburg) vom 13.01.2009, Artikel: Boris Strugazki: »Die Schrauben werden weiter angezogen«

Die Illustartionen des Künstlers G. G. Makarow stammen von der Seite »Фантасты братья Стругацкие: Иллюстрации: Юрий (Георгий) Георгиевич Макаров«. Sie erschienen in dieser Buchausgabe: Возвращение (Полдень, 22-й век) – Стругацкий А., Стругацкий – М.: Детгиз, 1962.

Die Veröffentlichung der Zeichnungen in dieser Rezension erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Vladimir Borisov (Redakteur der Seite »Фантасты братья Стругацкие«).