02.08.2022

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Die schwarzen BrüderIn einer stürmischen Nacht begegnet dem alten Graf Duur der geheimnisvolle Holder. Der Adlige ist von dem Fremden so beeindruckt, dass er ihn auf sein Schloss einlädt. Auch seine Nichte Friedrike und sein Neffe Florentin sind von der neuen Bekanntschaft sehr angetan.

Holder bleibt für länger, erweist sich als angenehmer Gast und gewinnt später sogar Friedrikes Herz. Der alte Graf stimmt der Verbindung nach kurzem Zögern zu. Erhebung in den Adelsstand, Verleihung eines Ritterguts und die Verlobung – alles scheint perfekt zu laufen. Da verschwindet Holder plötzlich unter mysteriösen Umständen.

Zur gleichen Zeit wird Florentin zum Dienst an einen Fürstenhof gerufen. Herzog Adolf ist von dem jungen Grafen sehr angetan. Sein freundliches Auftreten und seine angenehme Art wecken das Interesse von Louise, der Schwester des Grafen.

Florentin verliebt sich in Louise, muss seine Gefühle jedoch im Verborgenen halten. Denn seine herzliche Aufnahme wird nicht von allen bei Hofe positiv gesehen. Intriganten haben es auf ihn abgesehen und versuchen sogar, ihn mit Gift zu ermorden.

Die Beziehung zu Louise bleibt nicht folgenlos, sie wird schwanger. Florentin fühlt sich schuldig, das Vertrauen von Prinz Adolf missbraucht zu haben. Er ist verzweifelt, düstere Gedanken bedrücken ihn. In dieser Situation hat er einen schaurigen Traum. In einer lebensechten Vision begegnet Florentin den Schwarzen Brüdern. Diese mysteriöse Geheimloge besteht aus aufrichtigen Männer, die den unterschiedlichsten Berufen nachgehen und aus allen Gesellschaftsschichten kommen. Alle eint der Wille, auf vielfältige Art und Weise die Geschicke ihres Landes zum Positiven zu beeinflussen. Unter den Männern befindet sich auch Holder. Der junge Graf entscheidet sich, der Loge beizutreten und sich deren strikten Ordensregeln zu unterwerfen.

Inzwischen erfährt Fürst Adolf von der geheimen Liebschaft und ihren Folgen. Florentin muss sich verantworten und wird des Landes verwiesen. Die Schwarzen Brüder entsenden ihn daraufhin in das italienische Fürstentum Kanella. Bei dieser Gelegenheit erfährt er noch mehr über die Loge. Der Geheimbund ist in Wirklichkeit eine gewaltige internationale Organisation, die schon seit Jahrhunderten heimlich das Leben der gesamten Menschheit lenkt.

In Kanella findet Florentin einen heruntergewirtschafteten Staat vor. Der unfähige Herrscher und seine kriminellen Vasallen haben das Volk bis aufs Letzte ausgepresst und ins Elend gestürzt. Wut und Zorn über diese Ungerechtigkeit können nur durch den Einsatz massiver Gewalt unterdrückt werden. Der junge Adlige soll unterstützend eingreifen, sollte es zu einer Revolution kommen. Nicht ohne Grund befürchten die Schwarzen Brüder, dass ein Aufstand kein gutes Ende nehmen könnte. Um jeden Preis soll verhindert werden, dass es nur zum Austausch eines ungerechten Herrschers durch einen neuen Despoten kommt.

Der junge Graf hat in Kanella einen guten Start und steigt langsam auf. Er ist jedoch nicht glücklich, hadert oft mit seinem Schicksal. Die Gedanken an Louise beschäftigen ihn. Dann bricht die Revolution los. Dank Florentins Einsatz kann sie zu einem guten Ende geführt werden.

Doch nun erfährt der junge Graf von Holder, dass der alte Onkel und seine geliebte Schwester verstorben sind. Von der Beziehung mit Louise wird ihm nur sein kleiner Sohn Karl bleiben. Seine Hoffnung, eine gemeinsame Zukunft mit Louise, bleibt ein unerfüllter Traum. Er fühlt sich vom Schicksal betrogen und schrecklich einsam.

Seinem Schicksalsgefährten geht es nicht viel besser. Erschüttert vom Tod seiner Friedrike sieht der ebenfalls keinen Sinn mehr im Leben und macht Florentin einen Vorschlag. Als führendem Mitglied der Schwarzen Brüder stehen Holder Mittel und Wege zur Verfügung, um eine Reise in die Zukunft zu unternehmen.

Der junge Graf kann vor Kummer kaum klar denken und stimmt zu. So begeben sie sich in eine Höhle in den Alpen. Florentin, Holder und der kleine Karl schlucken einen geheimnisvollen Trank, der sie fünfhundert Jahre schlafen lässt und vor dem Altern bewahrt.

Nach dem Aufwachen finden die drei eine vollkommen veränderte Welt vor. Die erste Zeit verbringen sie auf einer idyllischen Insel bei der freundlichen und hübschen Idalla. Während Holder beschließt, bei ihr zu bleiben, will der junge Graf die Welt des 23. Jahrhunderts erkunden.

Florentin bewundert die technischen Erfindungen, aber auch die Art und Weise, wie die Menschen zusammenleben. Er unternimmt aufregende Reisen im Heißluftballon. Er spielt auf einem Euphon und kann dem klavierähnlichen Instrument die entzückendsten Töne und Harmonien entlocken. Ein Bekannter zeigt ihm ein kleines Fläschchen, in das eine geheimnisvolle Substanz eingeschlossen ist. Der »Feuergeist« kann Wärme speichern und soll einer Expedition bei der Erkundung der Südpolregion geholfen haben.  

Die Menschen der Zukunft leben in einer glücklichen und harmonischen Welt und reagieren auf die Schilderungen ihres Vorfahren mit Unglauben und Erheiterung. Sehr schnell begreift Florentin, dass sein ererbter Adelstitel in dieser Zeit ohne Bedeutung ist. Im 23. Jahrhundert erwirbt man einen solchen Stand nur durch herausragende Leistungen zum Wohle der Gesellschaft.

Florentin freundet sich mit Josselin an. Der etwas melancholische und skeptische junge Gelehrte wird sein Führer und hilft ihm, sich zurechtzufinden. Sie besuchen eine Totenfeier und eine sogenannte »Jammerburg«. Hier sind Verbrecher, aber auch geistig Kranke untergebracht. In diese Kategorie fallen jedoch auch »Philosophen«, die ihre Zeit lieber mit süßem Nichtstun statt in Diensten der Gesellschaft verbringen wollen.

In einem weiteren Traum kommt es zu einem erneuten Treffen mit den Schwarzen Brüdern. Die letzten fünfhundert Jahre haben bei ihnen und ihren Ansichten Spuren hinterlassen. Die Mitglieder des Geheimbundes blicken mit wenig Enthusiasmus in die Zukunft. Die letzten Jahrhunderte haben gezeigt, bei ihrem Einsatz für die Menschheit konnte sie nur wenig bewirken. Viel zu oft haben nicht das gute Herz oder die Vernunft, sondern List und Gewalt obsiegt. Florentin und Holder werden aus dem Dienst der Gemeinschaft entlassen und dürfen sich ausruhen.

Dann begegnet Florentin einer jungen Frau. Sie heißt Imada und erinnert ihn sehr an seine geliebte Louise. Sie verbringen einige Zeit miteinander und sind sich sympathisch. Mit Bedauern vernimmt er, dass Imada bald eine hochstehende Persönlichkeit heiraten wird. Er wird zu der Hochzeit eingeladen und ist darüber wenig erfreut. Denn Florentin macht sich keine Illusionen mehr. Das Schicksal scheint es nicht gut mit ihm zu meinen…

Hintergrund

Das Buch ist eine abenteuerliche Geschichte in drei Bänden und erschien nacheinander 1791, 1793 und 1795. Sie gehört eindeutig zum Genre Schauerromantik (Schwarze Romantik) und enthält typische Motive wie das Unheimliche (Geheimloge, Wundertrunk) und Abgründiges in der menschlichen Psyche (die Herrscherclique von Kanella und ihr Verhalten). Außerdem sind darin Elemente der Science-Fiction zu finden (Zeitreise, utopische Gesellschaft, zukünftige Forschung und Technik).

Persönliche Wertung

Diese Geschichte aus dem 18. Jahrhundert mag auf heutige Leser ziemlich ungewöhnlich wirken. Sie ist in einer Sprache verfasst, die beim damaligen Publikum sicherlich überaus beliebt war. Heute wirken die recht schwülstigen und gefühlsbetonten Darstellungen zumindest eigenartig. Hätte man sich entschlossen, das Buch in klassischem Stil und mit alter deutscher Schrift zu drucken, würde es dem heutigen Leser vielleicht leichter fallen, sich darauf einzustellen.

Mir gefällt das Buch trotzdem gut. Ich habe mich von der Aufmachung nicht abschrecken lassen und bin an der Geschichte drangeblieben. Denn die Reise ins 23. Jahrhundert hatte mein Interesse geweckt.

Zschokkes Darstellung einer zukünftigen Welt finde ich überaus gelungen. Er beschreibt interessante technische Erfindungen. So überwinden die Menschen der Zukunft bspw. große Entfernungen im Alltag wie selbstverständlich mit Fluggeräten. Moderne Musikinstrumenten wie das Euphone lassen wunderschöne Töne und Harmonien erklingen. Sollte dies ein Vorgriff auf heutige elektronische Klangerzeuger (bspw. Synthesizer) sein? Erfindungen im Bereich der Medizintechnik, bspw. Wärme gespeichert in Flaschen, machen das Leben leichter.

Der junge Graf Florentin wächst dem Leser recht schnell ans Herz. Sein Schicksal ist anrührend. Eine der stärksten Szenen ist für mich, als Florentin vor den Resten des heimatlichen Schlosses steht. Nach fünfhundert Jahren stehen nur noch einzelne Mauerreste. Das Empfinden von vergangener Zeit ist überaus stark zu spüren und bewegt den Lesenden, über existenzielle Fragen nachzudenken.

Zschokke beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Darstellungen aller möglichen technischen Wunderwerke, sondern versucht sich ebenso an einer Beschreibung der gesellschaftlichen Zustände.

Seine Vorstellungen sind leider dabei etwas idealistisch. Er ist der Meinung, dass die Regierungsform eigentlich egal wäre, dass es nur darauf ankäme, welche Werte die Herrschenden und auch die Beherrschten vertreten und dann auch umsetzen würden. Die Vorstellung vom guten König, der sich weise und gerecht um sein Volk kümmert, ist dafür typisch. Eine solche Idee impliziert jedoch auch, dass sich jeder mit dem Stand zufriedengeben müsste, in den er hineingeboren wurde. »Liebe und Achtung für die Menschheit« sind große Worte. Wie oft kann man jedoch erleben, dass Macht selbst die besten und edelmütigsten Menschen verdirbt.

Fast schon revolutionär für die damalige Zeit sind jedoch folgende Ideen: Priester sollten neben ihrer geistlichen auch eine medizinische Ausbildung haben. Sie könnten sich so besser um den geistigen und körperlichen Zustand ihrer Gemeinde kümmern.

Ein Bauer, der einen Hausstand gründen möchte, muss sich einer Prüfung unterziehen und Kenntnisse über Haus- und Wirtschaftsregeln nachweisen. Außerdem sollte der Bauer einen gewissen Grad an Bildung und bestimmte Bücher in seinem Besitz haben.

Heinrich Zschokke hoffte, dass allein schon durch eine gute Bildung des Herzens und Verstandes aller Mitglieder, eine bessere Gesellschaft entstehen würde. Dieser Idee kann man nicht widersprechen.

Zum Buch

Originaltitel: Die schwarzen Brüder
Autor: Heinrich Zschokke
Verlag: Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin 2016
Seitenzahl: 424
Ausgabe: Gebunden

Quellen

[1] Die schwarzen Brüder – Heinrich Zschokke, Sammlung Hofenberg im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin 2016