18.08.2015

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Die stummen GötterWir schreiben das Jahr 2380, Ort der Handlung: Tantalus im System um den Stern Spica. Im Orbit des Planeten kreist die Station ALGOL. Mit Steiggleitern begeben sich verschiedene Expeditionsgruppen zur Oberfläche. Die Forscher suchen nach den sagenhaften Tantaliden. Jahre zuvor waren deren Spuren auf dem Saturnmond Parzival entdeckt worden. Einige Hinweise belegen, dass Spica für die Außerirdischen von großer Bedeutung gewesen sein muss. Tantalus scheint eine paradiesische Welt zu sein. Es herrschen angenehme Temperaturen und die Luft ist zum Atmen geeignet. Eine reiche Tier- und Pflanzenwelt erfüllt den Planeten mit Leben. Jedoch fehlt von den Tantaliden jede Spur.

Nur ein einsamer Turm im Gebirge weist auf ihre frühere Anwesenheit hin. Dann geschieht das Unfassbare. Nacheinander werden vier Expeditionsmitglieder durch rätselhafte Energiewirbel (Schlieren) entführt. Zurück bleiben nur ihre leeren Raumanzüge. Die Forscher können sich das unheimliche Geschehen nicht erklären. Lediglich ein kurzer Strahlungsausbruch der Spica wurde zuvor registriert.

Um Bodenstation und Fahrzeuge wachsen Wälle nach oben und drohen sie einzuschließen. Expeditionsleiter Castor ist um die Sicherheit der Bodencrew besorgt. Er schickt einen Titan, ein gepanzertes und unüberwindlich scheinendes Bodenfahrzeug nach unten. Alle Arbeiten dürfen nur noch unter dessen Schutzfeld stattfinden.

Eine Kolonne gepanzerter Fahrzeuge macht sich auf den Weg ins Gebirge. Nach beschwerlicher Fahrt erreichen sie eine verlassene Bergwerksanlage. Mühsam werden den tantalidischen Hinterlassenschaften einige Geheimnisse entlockt. Nach wenigen Tagen geht es weiter in Richtung des Turms.

Tantalus und Spica

Das Gelände ist unübersichtlich und unwegsam. Fliegende Multi-Roover schweben über der Kolonne und klären das Gebiet auf. Dann geschieht es wieder. Die ALGOL meldet einen Strahlungsanstieg, Schlieren umgeben plötzlich die ungeschützten Flugzeuge. Ihrer Besatzung beraubt stürzen die Multis ab. Explosionen und Chaos folgen. Diesmal kann der Herkunftsort der Schlieren lokalisiert werden. Sie gehen von zylinderförmigen Körpern aus, die im gesamten Gebirge an Felswänden installiert sind.

Sinn und Zweck dieser Anlagen bleiben unbegreiflich. Die Menschen können sie nur als Bedrohung verstehen und zerstören daraufhin jede weitere Anlage.

Kurz vor Erreichen des Ziels enthüllt sich den Männern das düstere Geheimnis von Tantalus. Ein gewaltiger Strahlungsausbruch der Sonne Spica verwandelt den so lebensfreundlichen Planeten in eine kosmische Hölle. Gewaltige Blitze schießen durch die Atmosphäre und die Hitze steigt über alle Maßen an. Ein Wissenschaftler, der sich kurzzeitig außerhalb des Schutzfeldes aufhält, stirbt auf qualvolle Weise.

Stenström, der die Expedition begleitende Reporter, begreift als Einziger den möglichen Zweck der Energieschlieren-Anlagen. Er vermutet, sie dienen der Rettung vor plötzlichen Energieausbrüchen. Jedoch ist es für mögliche Erklärungen zu spät. Commodore Castor will nur noch seine entführten Männer zurück, egal was es kosten würde.

Die Expedition erreicht den in einem Talkessel gelegenen Turm und kommt doch nicht an ihn heran. Ein massives Kraftfeld verwehrt den Zugang. Diesmal reagiert die tantalidische Anlage auf keinerlei Kontaktversuche. Der Commodore entschließt sich zu einer härteren Gangart, mit verheerenden Folgen für die Mannschaft.

Hintergrund

Nachdem sich der Schriftsteller Jürgen Brinkmann durch die Veröffentlichung einiger Gegenwartsromane einen Namen gemacht hatte, wandte er sich unter dem Pseudonym Arne Sjöberg der Science-Fiction zu. Sein erster SF-Roman »Die stummen Götter« erschien im Jahr 1978 und danach noch in mehreren Auflagen. Nur wenige Jahre später folgte dessen Fortsetzung »Andromeda«. Unter dem Titel »Der letzte Abgrund« war noch ein dritter Tantaliden-Band geplant. [2]

Die Veröffentlichung eines weiteren SF-Romans unter dem Titel »Die Bedrohung« war für 1990 geplant. Leider kam es nicht mehr dazu.

Persönliche Wertung

Der Roman »Die stummen Götter« ist keine leichte Kost. Es gibt keine Liebesgeschichte und auch kein Happy End. Der Roman reizt durch eine anspruchsvolle und intelligente Handlung. Umso unverständlicher ist es, dass ihn so wenige SF-Leser kennen.

Mit der bis dahin in der DDR-SF üblichen Vorstellung vom erfolgreichen Erstkontakt wird gebrochen. Missverständnisse zwischen den Beteiligten werden eben nicht mit Leichtigkeit überwunden. Fremdartigkeit wirkt vor allem bedrohlich. Menschliche Sturheit und Wut in Anbetracht von Verlust und Angst führen in die Katastrophe.

Bemerkenswert ist die atmosphärisch dichte Erzählweise des Romans. Anschauliche Beschreibungen der Geschehnisse fesseln den Leser und lassen packende Bilder vor seinem inneren Auge entstehen. Das ist bestes Kopf-Kino!

Der Leser erfährt vom harten Alltag auf einem fremden Planeten, von der anstrengenden und manchmal frustrierenden Forschertätigkeit. In vielen Szenen geht es düster und unheimlich zu. Erschwerend ist überdies, dass sich die Sicherheit der menschlichen Technik häufig als trügerisch erweist.

Die Hauptfiguren der Story sind treffend und genau beschrieben, so dass der Leser sich gut in deren Gedanken- und Gefühlswelt hineinversetzen kann. Einige Personen wie bspw. Nordin oder Baskow wachsen einem mit Fortschreiten der Handlung richtig ans Herz und man bedauert deren Schicksal.

Hervorzuheben ist die anspruchsvolle Aussage des Romans: Im Angesicht des Fremden versagen althergebrachte menschliche Denkweisen. Das Setzen auf militärische Organisation und technische Macht schlägt im schlimmsten Fall auf den Menschen zurück. Vergleichbares findet sich in »Der Unbesiegbare« und »Fiasko« von Stanislaw Lem. [3]

Bleibt die Frage: Wie soll sich der Mensch im Kosmos verhalten, wenn er auf lebensbedrohliche Umstände trifft, zurück weichen, einen Kompromiss eingehen oder sich seiner gefährlichen Waffen bedienen?

Einer der letzten der Expedition gibt darauf die Antwort:

»Das Leben ist immer ein Kompromiß zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen. Wir sind über diese schmale Grenze hinausgeraten, in den Bereich des Unmöglichen hinein, ohne daß wir es wollten oder auch nur hätten voraussehen können. Jetzt freilich wissen wir es.

Aber eben erst jetzt. Und damit weiß es zugleich auch die Menschheit, und sie wird unseren Fehler nicht wiederholen.« ([1] Klappentext)

Das Schicksal der Tantaliden ist eine Mahnung an uns. Trotz all ihres Wissens und ihrer überlegenen Technik waren sie nicht in der Lage, für sich eine neue Heimat zu finden.

Zum Buch

Titel: Die stummen Götter
Autor: Arne Sjöberg
Verlag: Buchverlag Der Morgen
Seitenzahl: 244
Ausgabe: Gebunden mit Schutzumschlag

Quellen

[1] Arne Sjöberg – Die stummen Götter, Buchverlag Der Morgen, 2. Auflage 1979

[2] Science Fiction, die es nicht gibt von Ivo Gloss & Jörg Neumann: http://www.gloss-science-fiction.de/nonex.htm

[3] Die Science-Fiction der DDR – Autoren und Werke, Verlag Das Neue Berlin 1988 – herausgegeben von Erik Simon und Olaf R. Spittel, S. 236 – 238